ZitatOriginal von Montgomery Scott
Mittlerweile halte ich diese Abstimmung für eine Farce, die man schwerlich zu einem demokratischen Akt erklären kann. Die Abstimmung verstößt gegen die Schweizer Verfassung und gegen die Menschenrechtsnormen des Europarats. Indem die Abstimmung überhaupt stattgefunden hat, wurde den Menschen suggeriert, sie hätten die Wahl und dürften darüber entscheiden, ob Minarette gebaut werden sollen. Wäre ich gefragt: Wer weiß, vielleicht würde ich mir auch wünschen, dass es doch keine Minarette in meiner Umgebung gibt. Das entscheidende ist: Man hat in einer offenen Gesellschaft nicht darüber zu entscheiden.
Hier verquickst du in unzulässiger Weise juristische und politische Argumente.
Die herrschende Meinung geht - jedenfalls in Deutschland, in der Schweiz kenne ich mich nicht vertieft aus - von einer Gleichrangigkeit aller Verfassungsbestimmungen aus, so dass diese nicht gegeneinander ausgespielt werden können.
Das bedeutet im Klartext: gewährleistet die Verfassung zum einen Religionsfreiheit, und verbietet zum anderen den Bau von Minaretten, dann ist dieses Verbot gegenüber dem Recht auf freie Religionsausübung lex specialis, das heißt eine in ihrem Geltungsbereich die allgemeine Regelung verdrängende Norm. Grundsätzlich besteht Freiheit der Religionsausübung, der Bau von Minaretten wird von dieser Gewährleistung aber nicht erfasst. Formaljuristisch ist das nicht zu beanstanden, nach schweizerischem Recht haben die Stimmberechtigten das Recht, den Bau von Minaretten zu verbieten.
Von einer "offenen Gesellschaft" steht nichts in der Schweizer Bundesverfassung, auch gleiten rechtsphilosophische Überlegungen zu einer Indisponierbarkeit von Grundrechten seitens des Verfassunggebers bzw. verfassungändernden Gesetzgebers unweigerlich in eine unheilvolle Spirale ab: kein Recht kann völlig schrankenlos gelten, sie stoßen an irgendeinem Punkt notwendigerweise alle an gewisse Grenzen, sonst ist kein funktionsfähiges Gemeinwesen mehr möglich.
Die herrschende Meinung geht davon aus, dass es der Verfassunggeber bzw. verfassungändernde Gesetzgeber ist, der diese Grenzen eben in der Verfassung, also dort, wo die Grundrechte gewährleistet werden, zugleich auch ziehen kann, darf und muss. Argumentiert man dagegen, gewisse Rechte könne und dürfe auch der Verfassunggeber bzw. verfassungändernde Gesetzgeber nicht einschränken, wirft man Fragen auf, auf die es niemals eine rechtssichere Antwort geben kann: welche Rechte sind das? Warum gerade diese, und nicht auch andere? Wer bestimmt diese Rechte? Wer zieht die Grenze zwischen notwendigen und zulässigen Regelungen zum Gebrauch dieser Rechte, und unzulässiger Einschränkungen?
Das Ergebnis ist kein verbesserter Grundrechtsschutz, sondern nur erhebliche Rechtsunsicherheit, die sich gerade im Falle Grundrechtskollisionen effektiv als Verminderung des Rechtsschutzes auswirken.
Und gegen die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verstößt das Verbot zum Bau von Minaretten ganz offensichtlich nicht. Der entscheidende Art. 9 Abs. 1 lautet in der verbindlichen englischen Fassung:
"Everyone has the right to freedom of thought, conscience and religion; this right includes freedom to change his religion or belief and freedom, either alone or in community with others and in public or private, to manifest his religion or belief, in worship, teaching, practice and observance.
Das der Bau von Minaretten zur Ausübung des Islam als Religion nicht notwendig ist, belegen zahlreiche "minarettlose" Moscheen in islamischen Ländern. Denn das Minarett erfüllt gerade keine gottesdienstliche Funktion, sondern ist ein Symbol der politischen Aspekte des Islam. Minarette wurden erstmals in vom Islam unterworfenen Gebieten gebaut, um den unterworfenen Völkern den auch weltlichen Herrschaftsanspruch des Islam zu demonstrieren. Minarette in säkulären Staaten sind nichts anderes eine - hier kommt jetzt ein Lieblingswort der orthodoxen Muslime, Islamisten und ihrer Sympathisanten und Apologeten - Provokation gegenüber der nichtislamischen Mehrheitsbevölkerung. Und derlei nimmt die EMRK in Art. Abs. 2 ganz klar vom Schutz der freien Religionsausübung aus:
"No restrictions shall be placed on the exercise of these rights other than such as are prescribed by law and are necessary in a democratic society in the interests of national security or public safety, for the prevention of disorder or crime, for the protection of health or morals or for the protection of the rights and freedoms of others. This article shall not prevent the imposition of lawful restrictions on the exercise of these rights by members of the armed forces, of the police or of the administration of the State."