Ypsilanti ohne Mehrheit

  • Mir ist nur nicht klar - und das ist nicht so polemisch gemeint wie es möglicherweise klingt - wie die Linken aus dem Grundgesetz herausinterpretieren, daß es eine staatliche Aufgabe ist, die Leute mit mehr als dem Hartz 4 Satz zu alimentieren?


    Ich drehe das mal um: Für mich heißt "Schutz der Würde des Menschen", daß der Staat z.B. nicht foltern darf oder Ähnliches. Daraus ergibt sich kein konkreter Auftrag für die Ausgestaltung der Sozialpolitik.


    Daher widerspreche ich gar nicht, daß der Staat mit Hartz 4 möglicherweise Leute in "entwürdigende" Beschäftigungsverhältnisse" zwingt, aber das ist möglicherweise die Bedingung dafür, daß die Personen finanzielle Hilfe vom Staat annehmen, die eben an Bedingungen geknüpft ist (ist ja beim Bankenrettungspaket im Prinzip auch nicht anders)


    Um das klar zu sagen: Ich halte es für richtig, daß der Staat sozial schwachen Personen hilft. Aus vielerlei sozialen, ökonomischen und gesellschaftlichen Gründen. Aber es steht eben nirgendwo im Grundgesetz, daß die "Würde des Menschen" sich durch ein Monatseinkommen von mehr als 500 Euro im Monat, ein eigenes Auto oder sonst etwas definiert. Der Staat erbringt an dieser Stelle eher eine Zusatzleistung, indem er sozial schwachen Personen ein Grundniveau an materiellem Auskommen sichert und sogar aktiv in der Jobvermittlung tätig wird. Auch Letzteres macht Sinn, weil es dem Staat vermutlich Geld spart, aber wo bitte steht im Grundgesetz, daß man Anspruch auf staatliche Jobvermittlung hat, weil man sich nicht selbst um die Jobsuche kümmern kann/will o.Ä.


    Und zum Schluss: Ich weiß das das ein abgedroschenes Argument ist und ich weiß auch, daß es in Deutschland Armut gibt (v.A. relativ gesehen), aber wer sich fragt ob der Staat die "Würde" von Arbeitslosen respektiert, der sollte sich vor Augen führen, welchen materiellen Wohlstand unsere Sozialsysteme ermöglichen, wenn man das mal mit Personen in der dritten Welt vergleicht, die möglicherweise den ganzen Tag arbeiten (und das nicht zwangsläufig in niedrigen Positionen) Die Chilenen konnten jedenfalls gar nicht glauben, wie hoch die staatliche Unterstützung in Deutschland ist. Und Chile ist das reichste Land Südamerikas. Der Doorman in nem Wohntower in der Innenstadt von Santiago (Preise im Supermarkt wie in Deutschland) verdiente jedenfalls 330€...


    Wir sind ja nun zurecht stolz darauf, daß wir als "1. Welt Land" höheren Wohlstand und bessere Sozialsysteme haben, aber wenn wir behaupten, ein Hartz4 Empfänger wird in seiner "Würde" verletzt, weil der Staat zu wenig Kohle rausrückt und sich nicht um den richtigen Job für ihn kümmert, dann haben wir doch endgültig den Blick für die weltweite Realität verloren.

  • Zitat

    Ich weiß das das ein abgedroschenes Argument


    Mehr als das: es ist populistisch und falsch.


    Zitat


    ist und ich weiß auch, daß es in Deutschland Armut gibt (v.A. relativ gesehen)
    , aber wer sich fragt ob der Staat die "Würde" von Arbeitslosen respektiert, der sollte sich vor Augen führen, welchen materiellen Wohlstand unsere Sozialsysteme ermöglichen, wenn man das mal mit Personen in der dritten Welt vergleicht


    Der Geltungsbereich des Grundgesetzes hört an den Grenzen der BRD auf.


    Zitat


    Wir sind ja nun zurecht stolz darauf, daß wir als "1. Welt Land" höheren Wohlstand und bessere Sozialsysteme haben, aber wenn wir behaupten, ein Hartz4 Empfänger wird in seiner "Würde" verletzt, weil der Staat zu wenig Kohle rausrückt und sich nicht um den richtigen Job für ihn kümmert, dann haben wir doch endgültig den Blick für die weltweite Realität verloren.


    Wer hat den Blick für die Realität verloren, wenn du Deutschland mit Lateinamerika vergleichst. Wie wäre es denn mit anderen Industriestaaten der nördlichen Hemisphäre?


    Lohnzuwächse 1995 – 2004 (Quelle: Statistisches Bundesamt)

    Schweden 25,4
    GB 25,2
    USA 19,6
    Irland 19,4
    Dänemark 15,6
    NL 11,9
    Frankreich 8,4
    EU der 15 7,4
    Belgien 6,4
    Spanien 5,4
    Österreich 2,8
    Italien 2,0
    Deutschland – 0,9 (MINUS!)


    Ähnlich sieht es bei den Renten aus: wer hier 1000 € verdient, bekommt 400 raus. OECD-Durschnitt: 730 €. Dänemark: 1200.


    Noch mehr Zahlen:
    Volkseinkommen 2004 1 650,58 Mrd €
    Volkseinkommen 2006 1 730,38 Mrd €
    Zuwachs 79.80 Mrd €
    Prozentualer Zuwachs 4,83%

    Arbeitnehmerentgelt 2004 1 136,79 Mrd €
    Arbeitnehmerentgelt 2006 1 144,89 Mrd €
    Zuwachs 8,10 Mrd €
    Prozentualer Zuwachs 0,71%

    Unternehmens- und Vermögenseinkommen 2004 513,79 Mrd €
    Unternehmens- und Vermögenseinkommen 2006 585,49 Mrd €
    Zuwachs 71,70 Mrd €
    Prozentualer Zuwachs 13,96%


    Die Ungleichheit in Deutschland wird größer. Löhne sinken, Renten sinken, Arbeitslose werden zu Zwangsarbeit verpflichtet und müssen die Aufhebung ihrer Privatsphäre dulden, für medizinische muss immer mehr zugezahlt werden, die Renten- und Arbeitslosenversicherung erlebte einen deutlichen Substanz- und Vertrauensverlust. Dazu kommt die Inflation, die bei Produkten des täglichen Bedarfs höher ist, ebenso wie die hohen Benzinpreise und steigende Preise für öffentliche Verkehrsmittel. Doch wird da etwa entgegengesteuert? Nein!


    Anteil der Vermögen- und Erbschaftssteuer am BIP:
    Japan 2,9 Prozent
    USA 3,1 Prozent
    Kanada 3,9 Prozent
    UK 3,9 Prozent
    Australien 2,9 Prozent
    Schweiz 2,9 Prozent
    Frankreich 3,2 Prozent
    OECD Durchschnitt 1,9 Prozent
    Deutschland 0,9 Prozent



    Spitzensteuersätze
    Schweden 60%
    Finnland 60%
    Dänemark 59%
    Niederlande 52%
    Belgien 50%
    Japan 50%
    Österreich 50%
    Frankreich 48,09 %
    Spanien 45%
    Italien 43%
    Irland 42%
    Deutschland 42%
    USA 41,60%


    Mindestlöhne lass ich jetzt mal außen vor.
    Übrigens: zur Situation in Chile lies doch mal etwas zum 11. September 1973.

  • Zitat

    Ich drehe das mal um: Für mich heißt "Schutz der Würde des Menschen", daß der Staat z.B. nicht foltern darf oder Ähnliches. Daraus ergibt sich kein konkreter Auftrag für die Ausgestaltung der Sozialpolitik.


    Sorry aber das ist einfach eine Fehlinterpretation. Das Folterverbot bezieht sich auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Würde ist etwas Abstrakteres. Aber - ohne Dich persönlich angreifen zu wollen - das ist eben das Problem in der heutigen Politik: Dass man sich auf solche flachen Interpretationen beschränkt. Neulich hat Friedrich Merz bei Illner z. B. wiederholt betont, dass Demokratie sich für ihn in einer formellen Struktur demokratischer Legitimation von politischer Herrschaft erschöpft. Alle anderen sich dazu stellenden Fragen hat er einfach negiert.


    Zitat

    Original von Jörg Schermann
    Mir ist nur nicht klar - und das ist nicht so polemisch gemeint wie es möglicherweise klingt - wie die Linken aus dem Grundgesetz herausinterpretieren, daß es eine staatliche Aufgabe ist, die Leute mit mehr als dem Hartz 4 Satz zu alimentieren?


    Ein völlig entwürdigter Mensch ist ein Sklave. Je näher der Arbeitnehmer in der Praxis also der Sklaverei kommt, was seine Entlohnung, das Maß der Freiheit seiner Entscheidung zur Annahme der Arbeitsstelle, die Integrität der Familie als sozialer Einheit etc. betrifft, umso mehr wird er entwürdigt. Die Aufgabe des Staates ist es, dem Menschen ein Schutzschild gegen diese Entmenschlichung zu bieten und seine Verhandlungsbasis gegen diejenigen Arbeitnehmer stärken, die es auf möglichst niedrig bezahlte und entmündigte Arbeiter anlegen.


    Zitat

    Um das klar zu sagen: Ich halte es für richtig, daß der Staat sozial schwachen Personen hilft. Aus vielerlei sozialen, ökonomischen und gesellschaftlichen Gründen. Aber es steht eben nirgendwo im Grundgesetz, daß die "Würde des Menschen" sich durch ein Monatseinkommen von mehr als 500 Euro im Monat, ein eigenes Auto oder sonst etwas definiert.


    Und das heißt, die Grundwerte des GG sind völlig gegenstandslos? Philosophen sind laufend dabei, solche Problemstellungen zu untersuchen, Du kannst nicht einfach sagen, es sei Ansichtssache und Punkt.


    Zitat

    Der Staat erbringt an dieser Stelle eher eine Zusatzleistung, indem er sozial schwachen Personen ein Grundniveau an materiellem Auskommen sichert und sogar aktiv in der Jobvermittlung tätig wird. Auch Letzteres macht Sinn, weil es dem Staat vermutlich Geld spart, aber wo bitte steht im Grundgesetz, daß man Anspruch auf staatliche Jobvermittlung hat, weil man sich nicht selbst um die Jobsuche kümmern kann/will o.Ä.


    Der Staat bringt eine "Zusatzleistung"? Der Staat ist keine "Anbieter" o. ä., auch wenn die neoliberale Zwecklogik das suggerieren will. Der Staat ist ein Instrument des Volkes, um eine für alle verbindliche Ordnung zu schaffen, die all das garantiert, was für uns für die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einer würdigen menschlichen Existenz notwendig ist.


    Zitat

    Und zum Schluss: Ich weiß das das ein abgedroschenes Argument ist und ich weiß auch, daß es in Deutschland Armut gibt (v.A. relativ gesehen), aber wer sich fragt ob der Staat die "Würde" von Arbeitslosen respektiert, der sollte sich vor Augen führen, welchen materiellen Wohlstand unsere Sozialsysteme ermöglichen, wenn man das mal mit Personen in der dritten Welt vergleicht, die möglicherweise den ganzen Tag arbeiten (und das nicht zwangsläufig in niedrigen Positionen) Die Chilenen konnten jedenfalls gar nicht glauben, wie hoch die staatliche Unterstützung in Deutschland ist. Und Chile ist das reichste Land Südamerikas. Der Doorman in nem Wohntower in der Innenstadt von Santiago (Preise im Supermarkt wie in Deutschland) verdiente jedenfalls 330€...


    Wir sind ja nun zurecht stolz darauf, daß wir als "1. Welt Land" höheren Wohlstand und bessere Sozialsysteme haben, aber wenn wir behaupten, ein Hartz4 Empfänger wird in seiner "Würde" verletzt, weil der Staat zu wenig Kohle rausrückt und sich nicht um den richtigen Job für ihn kümmert, dann haben wir doch endgültig den Blick für die weltweite Realität verloren.


    Richtig, es ist abgedroschen. Würde ist eben nicht die Frage eines bestimmten Geldbetrages. Der Ursprung des Würdebegriffes unserer Verfassung ist der Begriff der Aufklärung. Lies mal bei Kant nach, was Würde bedeutet, es geht da um sehr viel ideellere Dinge als "nur" um Geld. Aber eine "würdige" Bezahlung ist eben ein Teil davon.

  • Danke für den Literaturhinweis... Ich schreibe zufällig gerade Magisterarbeit darüber... ;)


    (Schermann = Julia Elián)


    Warum ist das Argument populistisch? Ich habe ja dazu gesagt, daß wir natürlich stolz darauf sind, ein besseres Sozialsystem als Chile zu haben, aber worum es mir geht ist die offenkundige Annahme einiger Linker, Hartz 4 würde Menschen unter "menschenunwürdigen" Bedingungen leben lassen. Und das ist Eben Blödsinn wenn man sich ansieht, welches materielle Auskommen die Sozialleistungen in Deutschland ermöglichen. Das ist völlig unabhängig davon, ob man der Meinung ist, es sollte doch mehr oder weniger sein. Der Hartz 4 Satz ist eben nur nicht "menschenunwürdig"


    Und im letzten Post lag wieder genau der Denkfehler vor, den ich schon kritisiert habe. Dort steht


    Zitat

    Arbeitslose werden zu Zwangsarbeit verpflichtet und müssen die Aufhebung ihrer Privatsphäre dulden


    Das stimmt so nicht. Die Arbeitslosigkeit bedingt das nicht, sondern Annahme staatlicher Hilfe. Nochmal: Man kann es ja für falsch halten, die staatliche Hilfe an solch regide Bestimmungen zu knüpfen, aber es steht nirgendwo, daß und wenn ja in welcher Höhe der Staat überhaupt zu finanzieller Hilfe verpflichtet ist und das er dafür keine Bedingungen stellen kann. Es gibt Dinge an den Hartz 4 Regeln die sind geradezu grotesk, aber das hat eben mit §1 des Grundgesetzes nichts zu tun.


    Zu den volkswirtschaftlichen Daten: Bestreite ich nicht. v.A. das Rentensystem ist Müll. Aber auch hier erschließt sich mir der Zusammenhang zu §1 GG nicht. Oder steht da jetzt auch irgendwo drin, um vieviel Prozent das Arbeitnehmerentgeld im Jahr steigen muss. Oder anders ausgedrückt: Die Spanne der Schere zwischen Arm und Reich ist im GG nicht festgelegt. Man kann der Ansicht sein, daß sie zu groß wird, was möglicherweise sogar stimmt, aber gerade die Linken pochen doch sonst immer darauf, daß unser Wirtschaftssystem nicht in der Verfassung verankert ist.

  • @Hajo: Nochmal was zur Hessen-CDU


    Artikel 3
    (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
    (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
    (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.


    Die Hessen-CDU hat auf Wahlplakaten für "Chancenvielfalt", zu deutsch für das Zementieren von Chancenungleichheit, im Bildungssystem geworben. Schändlicher kann man mit den Werten des Grundgesetzes kaum noch umgehen.

  • @Scott:


    Ok, dann frage ich mal abstrakt: Wenn Du Dir mal vorstellen könntest, Geld und Umstände spielten keine Rolle: Was sollte der Staat dann genau tun bzw. welche Funktionen sollte er erfüllen, damit er Deiner Interpretation von §1 GG gerecht wird.


    Ob Du das nun an materiellem Auskommen festmachst oder nicht sei Dir überlassen.


    Zitat

    Sorry aber das ist einfach eine Fehlinterpretation. Das Folterverbot bezieht sich auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Würde ist etwas Abstrakteres. Aber - ohne Dich persönlich angreifen zu wollen - das ist eben das Problem in der heutigen Politik: Dass man sich auf solche flachen Interpretationen beschränkt. Neulich hat Friedrich Merz bei Illner z. B. wiederholt betont, dass Demokratie sich für ihn in einer formellen Struktur demokratischer Legitimation von politischer Herrschaft erschöpft. Alle anderen sich dazu stellenden Fragen hat er einfach negiert.


    Das das nicht stimmt ist mir auch klar, da sich meine Magisterarbeit genau mit dem Thema beschäftigt (Demokratieförderung in der Entwicklungspolitik) Formale Institutionen machen keine Demokratie. Aber auch daraus lassen sich keine Imperative für die Wirtschafts- und Sozialpolitik ableiten.


    Es heißt doch "Die Würde des Menschen ist unantastbar" Dies setzt aber doch eine aktive Handlung vorraus. Der Staat darf also nichts tun, daß die Würde des Menschen verletzt. Jetzt könnte ich - ohne das ich annähernd so neoliberal wie Jefferson oder Grimm bin - doch gerade daraus ableiten, daß der Staat im Grunde die Leute so weit wie möglich einfach in Ruhe lässt. Da steht nichts von: "Der Staat hat dafür zu sorgen, daß jeder Bürger im Monat 1000 Euro zur Verfügung stehen hat, damit seine Würde gewahrt bleibt"




    Zitat

    Der Staat bringt eine "Zusatzleistung"? Der Staat ist keine "Anbieter" o. ä., auch wenn die neoliberale Zwecklogik das suggerieren will. Der Staat ist ein Instrument des Volkes, um eine für alle verbindliche Ordnung zu schaffen, die all das garantiert, was für uns für die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einer würdigen menschlichen Existenz notwendig ist.


    Ich habe doch extra dazu gesagt, daß ich diese "Zusatzleistung" für sinnvoll erachte. Aber wir kamen doch vom Ausgangspunkt, ob die CDU mit ihren sozialpolitischen Forderungen eine verfassungsfeindliche Politik verfolgt. Darauf bezogen ging es mir darum deutlich zu machen, daß der bedingungslose Anspruch auf Sozialleistungen in Höhe X nicht im Grundgesetz steht.


    Zitat

    Richtig, es ist abgedroschen. Würde ist eben nicht die Frage eines bestimmten Geldbetrages. Der Ursprung des Würdebegriffes unserer Verfassung ist der Begriff der Aufklärung. Lies mal bei Kant nach, was Würde bedeutet, es geht da um sehr viel ideellere Dinge als "nur" um Geld. Aber eine "würdige" Bezahlung ist eben ein Teil davon.


    Richtig, Würde ist nicht nur eine Frage des Geldes, aber dann frage ich, was soll denn der Statt überhaupt tun (siehe Eingangsfrage in diesem Posting)? Der Hartz4 Satz könnte auch bei 1000 Euro liegen und dennoch könnte kein Staat der Welt darüber hinaus noch dafür sorgen, daß sich auch jeder persönlich wohl damit fühlt...


    Zitat

    Und das heißt, die Grundwerte des GG sind völlig gegenstandslos? Philosophen sind laufend dabei, solche Problemstellungen zu untersuchen, Du kannst nicht einfach sagen, es sei Ansichtssache und Punkt.


    Ich bestreite ja eben nicht die philosophische Debatte über den Begriff "Würde des Menschen", aber ich denke kein Philosoph kann daraus einen einen konkreten materiellen Anspruch ableiten und genausowenig kann man das aus dem Grundgesetz tun. Überspitzt gesagt: Gebe es in deutschland keinerlei Sozialsysteme, wäre das eine Verletzung von §1 des GG? (durchaus ergebnisoffene Frage)


  • *lol* Weißt Du warum ich für das dreigliedrige Schulsystem bin? Weil es wesentlich gerechter ist als die Einheitsschule. Ja, es läuft nicht perfekt in Deutschland, aber der entscheidende Punkt ist, daß dir mit nem Abi an einem normalen deutschen Gymnasium alle Chancen offen stehen. Und wie läuft es an Ländern mit Einheitsschulen. Wenn den Eltern in den USA oder England die öffentliche Highschool zu schlecht ist, dann gehts eben für 10.000$ nach Eton.... DAS ist "sozial ungerecht" (ich hasse das Wort ja eigentlich)

  • "Wollt ihr, dass die Menschen ein Interesse an euch nehmen, so zwingt ihnen eins ab und bleibt nicht uninteressante Heilige, die ihr heiliges Menschentum wie einen heiligen Rock hinhalten und bettlermäßig rufen: 'Respekt vor unserer Menschheit, die heilig ist!'" - Max Stirner


    Menschenwürde heißt nicht umsonst im Englischen "human dignity" - menschliche Göttlichkeit. Sie ist religiöse Wahnvorstellung, und wer ihr anhängt, gehört in Behandlung.

    Einmal editiert, zuletzt von Konrad Grimm ()

  • Zitat

    Original von Julia Elián
    Ok, dann frage ich mal abstrakt: Wenn Du Dir mal vorstellen könntest, Geld und Umstände spielten keine Rolle: Was sollte der Staat dann genau tun bzw. welche Funktionen sollte er erfüllen, damit er Deiner Interpretation von §1 GG gerecht wird.


    Ob Du das nun an materiellem Auskommen festmachst oder nicht sei Dir überlassen.


    Er soll Entwürdigung aktiv verhindern. Und Entwürdingung liegt eben z. B. dann vor, wenn der "Zweck an sich", den ein Mensch darstellt, zur rein formellen Angelegenheit verkommt. Wenn ein Arbeitgeber die ökonomische Lage ausnutzt, um - ohne eigene Not - Menschen in Arbeitsverhältnisse mit unangemessenen oder Hungerlöhnen zu drängen, dann verlieren diese Menschen ihre Würde.


    Zitat


    Es heißt doch "Die Würde des Menschen ist unantastbar" Dies setzt aber doch eine aktive Handlung vorraus. Der Staat darf also nichts tun, daß die Würde des Menschen verletzt. Jetzt könnte ich - ohne das ich annähernd so neoliberal wie Jefferson oder Grimm bin - doch gerade daraus ableiten, daß der Staat im Grunde die Leute so weit wie möglich einfach in Ruhe lässt. Da steht nichts von: "Der Staat hat dafür zu sorgen, daß jeder Bürger im Monat 1000 Euro zur Verfügung stehen hat, damit seine Würde gewahrt bleibt"


    Im GG steht auch, dass der Staat aktiv auf die Durchsetzung der Grundrechte hinwirken muss.



    Zitat


    Ich habe doch extra dazu gesagt, daß ich diese "Zusatzleistung" für sinnvoll erachte. Aber wir kamen doch vom Ausgangspunkt, ob die CDU mit ihren sozialpolitischen Forderungen eine verfassungsfeindliche Politik verfolgt. Darauf bezogen ging es mir darum deutlich zu machen, daß der bedingungslose Anspruch auf Sozialleistungen in Höhe X nicht im Grundgesetz steht.


    Stimmt, die Höhe von Sozialleistungen ist nicht dem GG entnehmbar. Von der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Gebot der Menschenwürde ist sie aber in etwa ableitbar.


    Zitat


    Ich bestreite ja eben nicht die philosophische Debatte über den Begriff "Würde des Menschen", aber ich denke kein Philosoph kann daraus einen einen konkreten materiellen Anspruch ableiten und genausowenig kann man das aus dem Grundgesetz tun. Überspitzt gesagt: Gebe es in deutschland keinerlei Sozialsysteme, wäre das eine Verletzung von §1 des GG? (durchaus ergebnisoffene Frage)


    Das kommt eben auf die Realität an. Natürlich gibt es viele denkbare gesellschaftliche Umstände, die einen Sozialstaat zur Wahrung der Menschenwürde unnötig machen würde. Aber solange die Arbeitsbedingungen weitgehend auf dem freien Markt durch das Kapital bestimmt wird, gibt es eben viele Fälle, in denen die Menschenwürde verletzt wird, wenn man dem Menschen gesellschaftlich nicht eine Handhabe gegen diese Arbeitsbedingungen in die Hand gibt.

  • Zitat

    Original von Julia Elián
    [quote]Original von Montgomery Scott
    *lol* Weißt Du warum ich für das dreigliedrige Schulsystem bin? Weil es wesentlich gerechter ist als die Einheitsschule. Ja, es läuft nicht perfekt in Deutschland, aber der entscheidende Punkt ist, daß dir mit nem Abi an einem normalen deutschen Gymnasium alle Chancen offen stehen. Und wie läuft es an Ländern mit Einheitsschulen. Wenn den Eltern in den USA oder England die öffentliche Highschool zu schlecht ist, dann gehts eben für 10.000$ nach Eton.... DAS ist "sozial ungerecht" (ich hasse das Wort ja eigentlich)


    Die Gesamtschule ist nicht hinreichende Voraussetzung für Chancengleichheit, im Gegenteil. Sie ist aber Grundvoraussetzung. Wenn ich mal direkt fragen darf: Was studierst Du denn? Es gibt tonnenweise empirische Untersuchungen, die die sozialen Barrieren zwischen den verschiedenen Schulformen belegen.


    EDIT: Die Politik ignoriert es nur seit 50 Jahren und mehr.

  • Zitat

    Original von Montgomery Scott


    Die Gesamtschule ist nicht hinreichende Voraussetzung für Chancengleichheit, im Gegenteil. Sie ist aber Grundvoraussetzung. Wenn ich mal direkt fragen darf: Was studierst Du denn? Es gibt tonnenweise empirische Untersuchungen, die die sozialen Barrieren zwischen den verschiedenen Schulformen belegen.


    EDIT: Die Politik ignoriert sich nur seit 50 Jahren und mehr.


    Ich studiere Politik.


    Ich bestreite ja nicht, daß es diese Barrieren gibt. Dies ist in der Tat mehr als belegt. Ich frage mich eben nur, ob die Gesamtschule die Situation im Endergebnis eben verbessern würde? Und da kam ich mit dem Beispiel Eton. Eltern werden sich immer bemühen, die Ausbildung ihrer Kinder zu optimieren. Das mehrgliedrige Schulsystem gibt derzeit noch die Möglichkeit, das innerhalb des staatlichen Systems zu tun.


    Bei der Einheitsschule kann ich nur noch mit Geld raus. Und damit - das macht es doch aus sozialer Sicht eher noch schlimmer - wird es endgültig vom Faktor Können entbunden und es entsteht eine reine Geldelite. Daher sehe ich in der Einheitsschule eher eine Gefahr für die Bildungsschancen.

  • Zitat

    Original von Julia Elián
    Ich bestreite ja nicht, daß es diese Barrieren gibt. Dies ist in der Tat mehr als belegt. Ich frage mich eben nur, ob die Gesamtschule die Situation im Endergebnis eben verbessern würde? Und da kam ich mit dem Beispiel Eton. Eltern werden sich immer bemühen, die Ausbildung ihrer Kinder zu optimieren. Das mehrgliedrige Schulsystem gibt derzeit noch die Möglichkeit, das innerhalb des staatlichen Systems zu tun.


    Das Endergebnis wird natürlich nicht zwangsläufig verbessert. Die Gesamtschule gibt aber die notwendigen Strukturen für eine Verbesserung her.


    Zitat

    Bei der Einheitsschule kann ich nur noch mit Geld raus. Und damit - das macht es doch aus sozialer Sicht eher noch schlimmer - wird es endgültig vom Faktor Können entbunden und es entsteht eine reine Geldelite. Daher sehe ich in der Einheitsschule eher eine Gefahr für die Bildungsschancen.


    Das geht auch heute schon. Wer eine super Ausbildung für sein Kind will und die Kohle hat, schickt es aufs Elite-Internat.


    Wirklich verschlimmern würde sich die Lage in dieser Hinsicht erst, wenn die Gesamtschule nicht die Möglichkeiten des heutigen Gymnasiums bieten würde. Diese Gefahr besteht bei den Vollpfosten, die in Deutschland das Bildungssystem administrieren (Jürgen Banzer würde ich gewiss nicht mit dem Aufbau der Gesamtschule betrauen) natürlich. Eine gut gestaltete Gesamtschule verbessert dagegen die Möglichkeiten für alle Schüler, weil sie es ermöglicht, in jedem Fach verschiedene Kurse anzubieten, die dem Stand und den Fähigkeiten eines jeden Schülers gerecht werden.


  • Das ist eine hübsche Gegenüberstellung, die sich aber dadurch erklären dürfte, dass sowohl die Unternehmen als auch das Kapital ihre Renditen vorrangig im Ausland erwirtschaften, während die Löhne und Gehälter im Inland erwirtschaftet werden.


    Zitat


    Dazu kommt die Inflation, die bei Produkten des täglichen Bedarfs höher ist, ebenso wie die hohen Benzinpreise und steigende Preise für öffentliche Verkehrsmittel. Doch wird da etwa entgegengesteuert? Nein!


    Ich sehe momentan vorrangig Deflation, nicht Inflation, und zwar vor allem auch bei Vermögensanlagen.


    Zitat


    Spitzensteuersätze


    Diese Betrachtung führt irre. Erstens muss man die Steuer- und Abgabenquote als ganzes betrachten. Zweitens wird in Deutschland der Spitzensteuersatz außerordentlich früh erreicht. In Deutschland zahlt ein großer Teil des Mittelstandes Spitzensteuersatz.


    Und der Mittelstand ist doch genau die Klasse in Deutschland, die am meisten leiden muss. Die Oberschicht ist durch nationale Politik und hiesige Steuern kaum greifbar, und wo sie es ist, da tut es ihr nicht weh, denn sonst wäre sie bereits im Ausland. Und die Unterschicht wird in Deutschland massiv staatlich alimentiert, kann sich im Grunde also nicht beschweren. Wer dagegen das Pech hat, zum deutschen Mittelstand zu gehören - dem nimmt's die Politik kräftig. Die Mitte bringt die Leistung, hat aber nicht den Ertrag. Und dass sie vom System verarscht wird beweist dabei die Tatsache, dass unser Land von einer breiten Mehrheit der Parteien der Mitte regiert wird...

    Einmal editiert, zuletzt von Konrad Grimm ()

  • Ich muss ehrlich zugeben, dass ich meine Positionen überdacht habe und inzwischen wieder eher ein linksliberaler Grüner bin ;).


    Diese 4 Verräter haben es geschafft, die Linke noch weiter zu stärken, davon bin ich überzeugt. Denn glaubwürdig ist die SPD nun nicht mehr.

  • Zitat

    Danke für den Literaturhinweis... Ich schreibe zufällig gerade Magisterarbeit darüber...


    Bezüglich auf 9/11 73 meld dich ruhig mal bei mir, ich hab darüber veröffentlicht.

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