Auch schon wieder: 10 Jahre Merkel-CDU

  • Dass Welt online Merkel in den höchstmöglichen Tönen lobt überschascht nun eher nicht. ;) Die Realitätsferne der intonierten Hymne erschreckt aber doch schon ein bisschen.


    Historisch hat Deutschland der CDU einiges zu verdanken. Marktwirtschaft und Westbindung waren 1949 ff. keine spontan populären Ziele. Die Skepsis der Bevölkerung gegenüber einer "kapitalistischen" Wirtschaftsordnung war nach der Kumpanei von Großindustrie und ländlichem Großbesitz mit den Nazis ebenso verständlich wie die Abneigung gegen die Wiederbewaffnung und Westbindung und damit einhergehend die Furcht vor der Gefahr, das Land an der Frontlinie eines Dritten Weltkriegs zu werden. Der weitere Lauf der Geschichte hat den Entscheidungen der damaligen CDU jedoch überwältigend Recht gegeben.


    Dass 1969 ein Stabwechsel notwendig wurde um endlich überfällige Reformen im Inneren zu ermöglichen war auch keine Schande für die CDU. Fatal sollte sich eher auswirken, dass man nach der Rückkehr an die Regierung 1982 den Anschluss an den Lauf der Zeit verloren hatte, und ihr übermächtiger Kanzler ihn aus persönlicher Opportunität auch 16 Jahre lang nicht wiederherstellen wollte.


    Davon hat die CDU sich bis heute, auch nach einem 2-jährigen Schäube-Intermezzo und nun 10 Jahren unter Merkel, nicht erholt. Noch lebt sie gut von dem zynischen Effekt den es auf die SPD hatte, sie in der Bereitschaft zu unliebsamen aber nun mal notwendigen Reformen zu überholen. Ewig wird dieser Vorteil aber auch nicht vorhalten. Ein echtes Konzept für die Zukunft Deutschlands hat sie immer noch nicht, sondern nutzt die anhaltende Verstimmung zwischen der SPD und ihrer Stammklientel für hilfloses Herumschrauben an der Peripherie.


    Irgendwann wird sich das rächen, vielleicht schon am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen.

  • Zitat

    Original von Richard Stresemann
    Merkel verwaltet den omnipräsenten Niedergang. Sie hat aber auch gar keine andere Wahl.


    Verwalten oder gestalten. Da man aber bei Bewegungen signifikanter Art in der heutigen Resteverteilungsgesellschaft fast nur noch irgend welchen Gruppen "weh tun" kann, wird verwalten das Rezept der Scheinheiligen der letzten Tage sein. ;)

  • "Weh tun" ist ein gutes Stichwort. Es wird von Politikern gerne so getan, als sei früher auch niemandem "weh getan" worden, weshalb es heute doch eigentlich immer noch so gehen müsste. Aber das stimmt ja nun nicht. Man hat sich in Westdeutschland ein paar flotte Jahrzehnte auf Kosten der eigenen Zukunft und vor allem der nachfolgenden Generationen gemacht. In Sonntagsreden immer von der Wiedervereingung schwadroniert, aber nicht für die damit einhergehenden Kosten vorgesorgt. Zwar erheblichen Wohlstand erarbeitet, aber sogar noch mehr konsumiert, in der Erwartung dass Bevölkerung und Wirtschaft immer weiter und weiter wachsen würden. Als sich ab etwa Mitte der 70-er Jahre dann abzeichnete, dass es genau anders kommen würde, hat man wie aus Trotz noch mal richtig Gas gegeben. Und jetzt will es natürlich keiner gewesen sein, und niemand die Kosequenzen tragen.

  • Aber zu wenig bzw. zu langsam. Bei unserem kostspieligen Lebensstandard in Deutschland bedeutet es bereits eine massive Krise, wenn die Wirtschaft z. B. in einem Jahr weniger wächst als im Jahr zuvor.

  • Zitat

    Original von Melissa Adelaide
    Und jetzt will es natürlich keiner gewesen sein, und niemand die Kosequenzen tragen.


    Subjektiv hat’s natürlich jeder im Leben erst mal schwer. Und man kann immer auf die anderen verweisen. Denn letztlich ist der Subventions-Empfänger von heute nicht verantwortlich für die Schulden von gestern, sondern nur von heute bzw. morgen. Warum also nicht nach Keynes leben? Man kann als homo bastiaticus aber nicht nur darauf verweisen, dass es doch vorher auch schon so gemacht wurde, sondern auch auf die meisten seiner Mitmenschen. Der Umverteilungsstaat schafft die Menschen, die ihn nutzen lernen und umgekehrt: Menschen, die das mitnehmen, was geht. ALGII und Schwarzarbeit. Unternehmen, die nach jeder Subvention rufen, die sie kriegen können. Organisierte Gruppeninteressen, die die Politik beeinflussen und von der Politik den Rahmen für ihr Verhalten vorgegeben bekommen.
    Bastiat hatte recht. Schumpeter vermutlich auch, denn: Wie sollte es anders gehen? Es geht aufwärts, ein Wohlfahrtsanspruch entsteht, dieser wird so lange ausgebaut und von der Politik erfüllt, bis es nicht mehr geht. Danach Niedergang und vielleicht Wiederaufbau. In Zeiten demographischen Umbruchs wird der Wiederaufbau allerdings vielleicht nicht so schnell und dynamisch gehen, wie z.B. nach dem 2. Weltkrieg. Aber dafür ist auch die Kriegsgefahr geringer, bzw. wenn es zu einem Krisenkrieg kommen sollte, wird dieser mangels Soldaten nicht so lange geführt werden können.

  • Merkels Aufgabe - und die jedes anderen demokratischen Regierungschefs unserer Tage - ist die, die Illusion aufrecht zu erhalten, unser System sei zu retten, denn nur so geht die Party noch weiter.

  • Zitat

    Original von Damian Fuller
    Warum also nicht nach Keynes leben?


    Weil das jedenfalls politisch nicht realisierbar ist. Zwar jubeln alle, wenn der Staat in der Krise Geschenke verteilt um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Nur geht wenn die dann nach dem Aufschwung wieder zurückgefordert werden das Heulen und Jammern los und die Regierung wird abgewählt. Unnötig zu sagen, dass natürlich zu Gunsten einer Regierung, die auch in prosperierenden Zeiten die Spendierhosen anhat und darauf spekuliert, dass eben noch bessere Zeiten kommen werden in denen man die verauslagten Investitionen dann aber endgültig wieder hereinholen kann. Irgendwann ist die Grenze des erreichbaren Wachstums aber erreicht, und nur Schulden- und Zinslast wachsen weiter.


    Wohlstandsanspruch schön und gut, aber auch dessen Befriedigung kann und darf sich nicht über ein simples und ewig gültiges Prinzip hinwegsetzen: es kann nicht mehr Wohlstand verteilt werden, als bereits erarbeitet ist. Was ich heute ausgebe aber eigentlich noch gar nicht habe, hole ich morgen eben doch nicht wieder rein.

  • Kenne ich schon. ;)


    Und muss dazu anmerken, dass die Rechnung des Herrn Heinsohn in einem zentralen Punkt ungenau ist. Nämlich betrachtet er allein das Stärkeverhältnis bestimmter Altersgruppen zueinander. Aussagekräftiger bzw. überhaupt nur aussagekräftig wäre ein Vergleich zwischen erwerbstätiger und nicht erwerbstätiger Bevölkerung. Dieses Verhältnis ist in Deutschland längst umgekippt: eine Minderheit von Berufstätigen steht einer Mehrheit von Nichtberufstätigen (Rentnern, Arbeitslosen, Schülern, Studenten, Hausfrauen/-Männern usw.) gegenüber.


    Bei vernünftiger Struktur der Erwerbsbiographie ist ein demographischer Wandel zu verkraften. Unser Problem sind nicht zu wenige Geburten. Unser Problem sind Leute, die bis Ende 20 studiert haben und in den nächsten Jahren mit Anfang 60 in Rente gehen, um 90 und älter zu werden.

  • Zitat

    Original von Melissa Adelaide
    Weil das jedenfalls politisch nicht realisierbar ist. Zwar jubeln alle, wenn der Staat in der Krise Geschenke verteilt um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Nur geht wenn die dann nach dem Aufschwung wieder zurückgefordert werden das Heulen und Jammern los und die Regierung wird abgewählt.


    Ich meinte eigentlich eher: "Warum nicht weiter nach Keynes I leben, so wie es in den modernen Staaten im Normalfall gemacht wird. In Deutschland nach der kurzen teil-ordoliberalen Phase wieder seit 1967. Und ich meinte auch nur den ersten, demokratisch machbaren Teil des keynes'schen Modells. ;) Der Zweite ist meiner Kenntnis nach nie realisiert worden, er widerspricht auch den regulären Rationalitäten des politischen Systems.

  • Friher ham die Menschen an den lieben Kohl geglaubt. Oder an den Papst Johannes II. Oder wenigstens an den Sozialstaat. Zumindest glaubte die Jugend glaubte noch an Verbesserung durch Veränderung. Heute sind viele, auch Junge frustriert. Und es gibt immer weniger davon. Heute gerät alles ins Wanken, oder ist das nur eine normale Umbruchserscheinung. Ständiger Wandel ist natürlich, aber ist er psychologisch für den Menschen verarbeitbar? Man will noch und vielleicht sogar in Zeiten der Krise mehr glauben. Aber an was? Die Kirche wird demontiert und demontiert sich selbst mit. Die Politik bleibt eigentlich so wie sie ist. Aber der Rhythmus wird schneller. Alles wird schnelllebiger. Auch das verstärkt das vorhandene Gefühl der Orientierungslosigkeit und der Mensch sucht nach Verlässlichkeiten.
    Wo ist Gott? Für viele spielt er keine Rolle mehr. Gewerkschaften, Parteien, Ideologien, Verheißungen. Alles ist noch da, hat aber den Pathos verloren. Es wird genutzt, aber immer weniger daran geglaubt. Es bindet nicht, oder vielleicht doch? Aber in kürzeren Rhythmen der schnellen Zeit. Es werden nicht mehr langfristige Milieus gepflegt und feste Strukturen, sondern punktuelle Events und Ereignisse. So neu? Vielleicht nicht. Wahrscheinlich ist alles redundant. Aber für ein Menschenleben ist es immer wieder neu. Und der Erde, die da war, ist und sein wird, ist es egal. Klimareligion, daran glaubt die Natur nicht. Die Menschen könnten daran glauben, aber warum sollten sie wirklich? Viele glauben auch daran. Aber inzwischen fallen viele von der neuen Kirche auch schon wieder ab. Sie könnte zwar viele einen, aber dennoch wieder spalten. Länder, Regionen, letztlich immer Menschen, die entscheiden bzw. entschieden werden (von der Politik, von ihrer Natur, von außen oder innen). Auch eine Klimareligion oder andere neue Versuche der Sinnstiftung werden vermutlich nicht dauerhaft einen. Es wird dadurch auch kein Zurück zum autoritären Staatssozialismus gebenm, aber auch kein "Aufwärts" zum wirklichen Kommunismus. Es ist und bleibt vermutlich wie es ist, wenn die Bedingungen sind, wie sie sind: Mixed economy. Im Leben, in der Gesellschaft, überall. ;)

  • Zitat

    Original von Melissa Adelaide
    Kenne ich schon. ;)


    Und muss dazu anmerken, dass die Rechnung des Herrn Heinsohn in einem zentralen Punkt ungenau ist. Nämlich betrachtet er allein das Stärkeverhältnis bestimmter Altersgruppen zueinander. Aussagekräftiger bzw. überhaupt nur aussagekräftig wäre ein Vergleich zwischen erwerbstätiger und nicht erwerbstätiger Bevölkerung. (...)


    Wenn es genug Arbeit gäbe (die einen adequaten Lebenstandart ermöglicht) wäre es ja auch kein Problem. 400 Euro Jobs (das einzige was man hier (wo ich wohne halt) so bekommt) macht keinen Satt und schon gar nicht eine Familie. Und Steurn bekommt man dafür auch nicht so massig. (Abgesehen von Mehrwertsteuer/Mineralöl- etc Steuern nämlich nix.)

  • Zitat

    Original von Damian Fuller
    Ich meinte eigentlich eher: "Warum nicht weiter nach Keynes I leben, so wie es in den modernen Staaten im Normalfall gemacht wird. In Deutschland nach der kurzen teil-ordoliberalen Phase wieder seit 1967. Und ich meinte auch nur den ersten, demokratisch machbaren Teil des keynes'schen Modells. ;) Der Zweite ist meiner Kenntnis nach nie realisiert worden, er widerspricht auch den regulären Rationalitäten des politischen Systems.


    Ähm, stimmt ja eigentlich. Das einzige Risiko ist eine Verschlechterung des Ratingcodes, die die weitere Kreditbeschaffung gefährden könnte. Da die Bundesrepublik Deutschland aber glanzvoll ihr AAA hält obwohl sie mittlerweile schon Schulden machen muss um ihre bereits bestehenden Verbindlichkeiten zu bedienen, ist das eine fast idiotensichere Spekulation. :D

  • Zitat

    Original von Cameron Philips
    Wenn es genug Arbeit gäbe (die einen adequaten Lebenstandart ermöglicht) wäre es ja auch kein Problem. 400 Euro Jobs (das einzige was man hier (wo ich wohne halt) so bekommt) macht keinen Satt und schon gar nicht eine Familie. Und Steurn bekommt man dafür auch nicht so massig. (Abgesehen von Mehrwertsteuer/Mineralöl- etc Steuern nämlich nix.)


    Die Solidargemeinschaft hat sich nun mal demokratisch-mehrheitlich dafür entschieden, dass es besser ist wenn nur die Minderheit der Bevölkerung arbeitet und die Mehrheit der Bevölkerung von dieser und dem Staat unterhalten wird. Und damit das so bleibt, muss Arbeit eben möglichst teuer oder idealerweise unbezahlbar sein. Am besten, wir führen einen Mindestlohn von 10 €/Stunde ein und lassen die Sozialversicherungsbeiträge künftig zu 100% vom Arbeitgeber tragen. ;)

  • Ach, dass es darüber eine Volksabstummung gab wusste ich nicht...


    Es ist nicht genügend Arbeit da. Und wenn der Dienstleistungssektor voll Automatisiert wird so wie bei der Landwrtschaft vorgemacht und im Industriesektor zu beobachten ist wird die Arbeit noch weniger werden (bei mehr Produktivität).
    Die Sektoren werden mit 5-10% der Erwerbtstätigen auskommen irgendwann. * Da gibt es nicht die Frage ob sondern nur wann. Es ist nur an der Zeit Systeme zu entwickeln die den Umbruch weniger schmerzhaft machen.
    Wir Produzieren Wohlstand, und das in Mengen die fast 80 Millionen Menschen in Wohlstand leben lassen.




    * Wenn ich nur dieses Interview von diesem Wirtschaftsonkel wiederfinden würde, seine Worte wahren doch etwas exakter und schlüssiger als mein Gebrabbel zu dieser Stunde. Einer von Lidl oder Plus oder sowas.

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