Das Guidomobil auf Geisterfahrt

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    Original von Hajo Poppinga


    Das würde ja für die Einführung eines klassischen Mehrheitswahlrechtes sprechen in Form des ausschließlichen Vorhandenseins von Wahlkreisen mit fptp. Aber selbst da sind dann meist die nationalen Parteien ausschlaggebend, siehe England.


    Das wüde ich auch bevorzugen, alternativ noch ein offenes Verhältniswahlrecht, aber das stößt bei 6XX Abgeordneten einfach an Grenzen. Natürlich bleibt die Sache mit der Partei, aber die Abgeordneten sind viel deutlich "geerdet" und an ihre Wähler rückgebunden. Mag sein das in UK auch die Parteien den Ausschlag geben, aber deswegen sind die Spektren dort trotzdem viel weiter als bei uns, und sowas wie konkrete Wahlprogramme gibt es in der Form ja auch nicht, soweit ich weiß.
    Ich persönlich hänge da ja eh mehr dem US-System an - bzw. einem Präsidialsystem ganz allgemein - und halte eine parlamentarische Demokratie gewaltenteilungstechnisch schon für einen Widerspruch in sich. Aber das ist ein anderes Thema.

  • Ich wäre der größte Fan einer Umstellung unseres Systems nach amerikanischem Vorbild (wenn es nach mir ginge, fingen wir morgen mit dem Bundesrat an!). Meine einzige Sorge ist der Einfluss der Lobbyisten; die Erfahrungen in Deutschland, den USA und Großbritannien scheinen mir nahezulegen, dass der Einfluss der Lobbys stärker wird, wenn der Einfluss der Parteien schwindet.

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    Original von Stella von Brion
    Das wüde ich auch bevorzugen, alternativ noch ein offenes Verhältniswahlrecht, aber das stößt bei 6XX Abgeordneten einfach an Grenzen.


    Wir wählen auch heute schon Landeslisten bei der Bundestagswahl, und in einigen Ländern besteht bei den Landtagswahlen andererseits durchaus die Möglichkeit, die Listen zu verändern.

    Maximilian Schumpeter, MdUP
    Unionsminister des Inneren und der Justiz
    Präsident des Unionsparlaments

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    Original von Anastasia von Metternich
    Ich wäre der größte Fan einer Umstellung unseres Systems nach amerikanischem Vorbild (wenn es nach mir ginge, fingen wir morgen mit dem Bundesrat an!). Meine einzige Sorge ist der Einfluss der Lobbyisten; die Erfahrungen in Deutschland, den USA und Großbritannien scheinen mir nahezulegen, dass der Einfluss der Lobbys stärker wird, wenn der Einfluss der Parteien schwindet.


    Oh ja, der Bundesrat. Großes Kino. Dieses ganze System ist eigentlich völliger Nonsens. Exekutivföderalismus, wer sich den Schwachsinn ausgedacht hat...


    Die Partei selbst ist ja eine einzige große Lobby, die den Einfluss der Lobbyisten wieder abfängt, weil sie selbst eingene Interessen hat, die sie den Abgeordneten "verkaufen" will - fällt dieser Einfluss weg, wenden sich die Lobbyisten viel direkter an die Abgeordneten. Das ist in der Tat ein Problem. Aber das Problem haben wir in Europa ja auch schon - das lässt sich mit genug Öffentlichkeit und Transparanz halbwegs eindämmen, denke ich. Ansonsten wird man dieses Problem immer haben - denn es ist einfach die Natur des Menschen, dass er beeinflussbar ist.



    Zitat

    Original von Maximilian_Schumpeter


    Wir wählen auch heute schon Landeslisten bei der Bundestagswahl, und in einigen Ländern besteht bei den Landtagswahlen andererseits durchaus die Möglichkeit, die Listen zu verändern.


    Durchaus korrekt. Wobei ich mir das mehr im Kumulieren/Panaschieren-System unserer Kommunalwahlen vorstelle - ich weiß nicht, wie das beim Landtag in den entsprechenden Ländern ist und wie es genau läuft. Aber je mehr Einfluss man den Bürgern auf die Wahl gibt, desto größer ist der Druck auf Parteien und Politik, sich rückzubinden.

  • Bei den Landtagswahlen in Bremen und Hamburg hat man ja, in verschiedener Ausprägung, das System des Kumulierens und Panaschierens angewandt. Da hat sich manch Außenseiter durch fleißiges Handeschütteln hochgearbeitet und der eine oder andere, der sich auf einem vermeintlich sicheren Listenplatz ausruhte, hat sich nachher umgeguckt.


    Insoweit kann ich das ebenfalls befürworten. Es macht Politik auf jeden Fall wieder basisnäher.

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    Original von Stella von Brion
    Durchaus korrekt. Wobei ich mir das mehr im Kumulieren/Panaschieren-System unserer Kommunalwahlen vorstelle - ich weiß nicht, wie das beim Landtag in den entsprechenden Ländern ist und wie es genau läuft. Aber je mehr Einfluss man den Bürgern auf die Wahl gibt, desto größer ist der Druck auf Parteien und Politik, sich rückzubinden.


    Ich weiß nicht, wie das System mit dem Kumulieren/Panaschieren genau läuft, aber grundsätzlich muss ein Wahlsystem in meinen Augen verständlich bleiben. Am Ende sollten keine Wahlzettel herauskommen, die zwei Meter und mehr lang sind.

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    Original von Anastasia von Metternich
    Ich weiß nicht, wie das System mit dem Kumulieren/Panaschieren genau läuft, aber grundsätzlich muss ein Wahlsystem in meinen Augen verständlich bleiben. Am Ende sollten keine Wahlzettel herauskommen, die zwei Meter und mehr lang sind.


    Also heisst Demokratie: "Bürger, du bist dumm. Aber damit du Ruhe gibst, kannst du alle vier Jahre ein Kreuzchen machen mit dem du entscheidest, welche Versprechen danach gebrochen werden sollen. Mehr ist dir nicht zuzutrauen. Und dann bist du aber auch für alles verantwortlich und gibst gefälligst Ruhe, nicht dass du noch auf Ideen kommst wie die Libyer. Und wenn du nicht wählen gehst, bist du noch dümmer und noch verantwortlicher für alles. So, und jetzt lass Tante Merkel weiterarbeiten, ja? Sie muss nämlich grade machen was sie will, und das ist anstrengend!"

    Maximilian Schumpeter, MdUP
    Unionsminister des Inneren und der Justiz
    Präsident des Unionsparlaments

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    Original von Maximilian_Schumpeter
    Also heisst Demokratie: "Bürger, du bist dumm. Aber damit du Ruhe gibst, kannst du alle vier Jahre ein Kreuzchen machen mit dem du entscheidest, welche Versprechen danach gebrochen werden sollen. Mehr ist dir nicht zuzutrauen. Und dann bist du aber auch für alles verantwortlich und gibst gefälligst Ruhe, nicht dass du noch auf Ideen kommst wie die Libyer. Und wenn du nicht wählen gehst, bist du noch dümmer und noch verantwortlicher für alles. So, und jetzt lass Tante Merkel weiterarbeiten, ja? Sie muss nämlich grade machen was sie will, und das ist anstrengend!"


    Demokratie heißt für mich auch: "Ich muss als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, einem Vollzeitjob, ein bis zwei Hobbies und einem ganz normalen deutschen Durchschnittsleben noch die Möglichkeit haben, mit angemessenem Zeitaufwand am politischen Prozess teilnehmen zu können, nachdem ich eine gewisse Übersicht über Personen und Programme gewonnen habe." Gerade deswegen finde ich Parteien so sympathisch. Wer Demokratie als Vollzeitbeschäftigung versteht, der muss zunächst das bedingungslose Bürgergeld für alle einführen, damit man sonst nichts zu tun hat.

  • Also Wahlen mit Kumulieren und Panaschieren heißen ja nicht gleich, dass eine Vollzeitbeschäftigung daraus wird. Natürlich ist es etwas schwieriger als einfach nur ein Kreuz zu machen, aber wenn ich mich dann statt fünf Sekunden eben fünf Minuten mit dem Wahlzettel beschäftige, sollte es mir so viel dann gerade noch wert sein. Wenn ich mich nicht mal fünf oder zehn Minuten damit befassen will, wen ich wähle, mit welchem Recht wähle ich dann überhaupt noch?

  • Das Problem der repräsentativen Parteiendemokratie (man könnte wahlweise die Wörter "repräsentativ" oder "-demokratie" durchaus auch in Anführungszeichen setzen) sieht man jetzt doch auch grade in Italien wieder sehr schön: Welcher italienische Wähler hat bei der letzten Parlamentswahl auch nur im Entferntesten mit seiner Stimme zum Ausdruck bringen wollen, dass er eine Regierung Monti und deren Programm wünscht?

    Maximilian Schumpeter, MdUP
    Unionsminister des Inneren und der Justiz
    Präsident des Unionsparlaments

  • Niemand, aber darüber wurde schließlich auch gar nicht abgestimmt. Der Wähler hat den Kandidaten ein Mandat auf Zeit, sie zu repräsentieren und ihren verfassungsmäßigen Eid (ich nehme an, sowas haben die auch) zu erfüllen. Wie sie diesen erfüllen, ist den Mandatsträgern überlassen - dafür gibt es schließlich die Freiheit des Mandats.

  • Zitat

    Original von Anastasia von Metternich
    ... dafür gibt es schließlich die Freiheit des Mandats.


    Was genau doch das Problem ist: Gewählt werden Programme unter einer Marke, aber die Agenten dieser Programme tun danach so, als seien sie gewählt worden, ihre Privatprogramme alias Willkür durchzusetzen. Das mag ja formell korrekt sein, aber der Anschein, der erweckt und aufrecht erhalten wird, ist ein anderer. Und das macht die repräsentative Parteiendemokratie zum systematischen Betrug.

    Maximilian Schumpeter, MdUP
    Unionsminister des Inneren und der Justiz
    Präsident des Unionsparlaments

  • Zitat

    Original von Maximilian_Schumpeter


    Was genau doch das Problem ist: Gewählt werden Programme unter einer Marke, aber die Agenten dieser Programme tun danach so, als seien sie gewählt worden, ihre Privatprogramme alias Willkür durchzusetzen. Das mag ja formell korrekt sein, aber der Anschein, der erweckt und aufrecht erhalten wird, ist ein anderer. Und das macht die repräsentative Parteiendemokratie zum systematischen Betrug.


    Gewählt werden Personen. Programme dienen der Information/Täuschung der Wähler, Parteien der leichteren Verortung der Positionen der Kandidaten. Aber es ändert nichts daran, dass weder Programme noch Parteien oder Regierungen, sondern einzelne Personen gewählt werden. Und diese einzelnen Personen können die nächsten vier Jahre tun und lassen, was sie wollen. Deswegen ist eine Verhältniswahl mit geschlossenen Listen so ziemlich die größte Perversion von Wahl, die man sich bei unserem politischen System eigentlich hätte einfallen lassen können.

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