Ich erlaube mir, mich einmal von dem von dir zitierten "12-jährigen Serientäter" zu lösen, und die Frage allgemeiner zu beantworten:
Ich lehne eine Anwendung des Verfahrens und der Rechtsfolgen des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) auf unter 14-Jährige deshalb ab, weil wer dieses fordert damit eigentlich nur beweist, dass er von der Materie keine Ahnung hat.
Denn auch wenn er mir selbst zuweilen herausrutscht, existiert der Begriff des "Jugendstrafrechts" in deutschen Gesetzen tatsächlich gar nicht. Denn es geht dem JGG primär nicht um das Strafen, sondern um die erzieherische Einwirkung auf jugendliche Straftäter.
Von seinen gesamten Instrumentarien hat nur genau eines den Charakter und die Bedeutung einer Strafe, nämlich die Jugendstrafe (eine in ihrem Vollzug auf die Lebenssituation und Bedürfnisse Jugendlicher abgestimmte Freiheitsstrafe). Und deren Verhängung wiederum ist für schwerwiegende Ausnahmefälle reserviert.
Auch die volkstümlich als "Sozialstunden" bekannte Auflage zur Erbringung von Arbeitsleistungen sowie der Freizeit- und Jugendarrest sollen den betroffenen Jugendlichen nicht "bestrafen" - also den aus seiner Tat sprechenden Gesinnungsunwert an seiner Person sühnen - sondern erzieherisch auf ihn einwirken. Und das eben auf eine Weise, die eine gewisse charakterliche Reife und somit überhaupt Empfänglichkeit für die entsprechenden erzieherischen Maßnahmen, voraussetzt.
Diese Voraussetzung ist dabei ein gegenüber dem Kind bereits weiter entwickeltes Ehrgefühl des Jugendlichen, das sich auf einen notwendigerweise bereits gereiften, wenn freilich auch noch nicht erwachsenen, Wunsch nach gesellschaftlicher Integration als ehr- und achtbare Persönlichkeit bezieht.
Wenig bekannt ist, dass auch über 14-, aber noch unter 18-Jährige Straftäter keineswegs immer mit Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz zu rechnen haben. § 3 JGG gibt dem Jugendrichter (der bewusst eben nicht "Jugendstrafrichter" heißt!) einen Ermessensspielraum, ob er auf einen jugendlichen Straftäter mit Maßnahmen nach dem JGG oder z. B. dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe) einzuwirken für dessen individuellem Entwicklungsstand angemessen hält. Letzteres z. B., weil die im vorigen Absatz beschriebenen Voraussetzungen in der Person des jugendlichen Straftäters auf Grund seines Entwicklungsstandes einfach noch nicht gegeben sind.
Denn es geht eben nicht um Strafe, sondern um erzieherische Einwirkung - unterstützend gegenüber den Erziehungsberechtigten, oder notfalls an deren statt (vgl. auch Art. 6 Abs 2 GG).
Die Häufigkeit, mit der vereinzelt auch unter 14-Jährige schon Straftaten begehen, und die dabei mitunter von ihnen an den Tag gelegte Brutalität und "Professionalität" soll gar nicht bestritten werden.
Bloß, was sollte es bringen, auf diese Kinder (sic!) mittels des Maßnahmenkataloges des JGG einzuwirken? Auch wenn sie durch ihre Taten bereits Schaden anrichten wie ein extremstenfalls hochgradig krimineller Erwachsener sind sie deshalb noch lange keine Erwachsenen. Ihr Handeln ist Ausdruck einer anderen Sozialisationsstörung als jenes eines erwachsenen Straftäters. Und bedarf darum einer anderen Begegnung seitens der Gemeinschaft.
Wenn Unionsparteien und Springerpresse eine Senkung des persönlichen Anwendungsbereiches des JGG auf unter 14-Jährige fordern, dann ist das substanziell betrachtet bloß eine Variante des Rufes nach "Wegsperren".
Diesem fragwürdigen, wenn nicht in seiner Sinnhaftigkeit widerlegten, kriminalpolitischen Instrument entsprechen Freizeit-/Jugendarrest und Jugendstrafe aber noch weniger als die Freiheitsstrafe nach dem StGB.
Die Probleme eines einmalig schwerwiegend oder gehäuft straffällig werdenden 12- oder 13-Jährigen mit sich selbst sowie der Gemeinschaft mit ihm löst man nicht, indem man ihn "mal ein paar Wochen wegsperrt".
Für noch so junge Straftäter sind weder die Zuchtmittel (Verwarnung, Auflagen, Arrest) noch die Jugendstrafe nach dem JGG gedacht, weil sie die persönlichen Voraussetzungen für deren voraussichtlich zu erwartenden Erfolg einfach noch nicht mitbringen.
Auch auf sie muss, kann und wird erzieherisch eingewirkt, ggf. staatlicherseits. Man darf nicht Zeitungsmeldungen des Tenors: "Eine Gruppe 12-Jähriger schlägt Rentnerin nieder und raubt sie aus, Polizei fasst die Räuber und liefert sie bei ihren Eltern ab", so lesen , als sei die Sache damit abgeschlossen. Das ist sie nicht. Aber manche Fälle sind beim Jugendamt und dem Familiengericht einfach besser aufgehoben als beim Jugendgericht.